Unterhalt und eigene Wohnung: Was steht mir zu?

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Autor: Christoph Wiemer
Position: Inhaber

Unterhaltsberechtigt kann unter bestimmten familiären Bedingungen jeder sein, solange er zur Bestreitung des Lebensbedarfs die eigenen Mittel nicht mehr aufbringen kann. Jene Unterhaltsansprüche können z.B. zwischen Ehegatten oder Verwandten gerader Linie entstehen, sowie natürlich hauptsächlich für die Eltern gegenüber deren Kindern.

Rein rechtlich kannst du also mit der eigenen Wohnung von deinen Eltern Unterhalt verlangen, da sie bis zum Abschluss eines ersten qualifizierten Berufsabschlusses oder bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres unter bestimmten Voraussetzungen für deinen Unterhalt verpflichtet sind.

Ab wann darf man eine eigene Wohnung bewohnen?

Ab 18 Jahren darfst du deinen Wohnsitz frei wählen. Soweit junge Erwachsene also finanziell auf eigenen Beinen stehen können, braucht es keine Einwilligung bzw. Erlaubnis seitens des Amtes oder der Eltern. Ganz egal ob du mit 18 noch Schüler, oder als arbeitssuchend gemeldet bist, du darfst grundsätzlich von zu Hause
ausziehen und eine eigene Wohnung mieten. Allerdings muss dieser dann dafür auch das Geld haben – die Eltern sind meist nicht verpflichtet, grundsätzlich eine eigene Bude zu finanzieren.

Welche Faktoren bestimmen den Unterhalt?

Finanzielle Unterstützung von der Agentur für Arbeit kannst du erhalten, wenn du deine erste Ausbildung startest und aus diesem Grund in deine erste eigene Wohnung ziehst. Dein Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe – kurz BAB – sollte erfolgreich sein, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind:

  • $Deine berufliche Situation, dein Alter, dein Einkommen
  • $Einkommen der Eltern
  • $Eigene Wohnung oder im Haushalt der Eltern lebend
  • $Insgesamt die Notwendigkeit, abhängig von 1.

Unterhalt: Minderjährige und volljährige Kinder

Bis zum 18. Lebensjahr sind deine Eltern zum Betreuungsunterhalt sowie Barunterhalt verpflichtet. Sind sie geschieden, trifft auf jedes Elternteil eine der beiden Pflichten zu. Das heißt derjenige Elternteil, der das Kind nicht betreut, ist automatisch bar unterhaltspflichtig. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres erlischt der Anspruch auf Betreuung, außer du wohnst noch zu Hause und befindest dich in der ersten Ausbildung, welche zu einem qualifizierten Berufsabschluss führt. Bei Minderjährigen wird das eigene Nettoeinkommen dem Unterhaltsbedarfssatz nur zur Hälfte angerechnet, bei Volljährigen komplett.

Orientierungsphase nach der schulischen Ausbildung

Die Orientierungsphase beträgt nach Abschluss der allgemeinen Schulausbildung genau ein Jahr. Dadurch steht es dir als Kind frei, in dieser Zeit einen Job anzunehmen, ein freiwilliges soziales Jahr zu beginnen oder hierdurch ein Jahr im Ausland zu leben und eine fremde Sprache und Kultur kennen zu lernen.

Aber: Ist das FSJ (Freiwillige Soziale Jahr), oder eine andere Tätigkeit wie z.B. Auslandsaufenthalt, nicht Voraussetzung bzw. Bestandteil einer Ausbildung oder Studium, besteht zu dieser Zeit kein Anspruch auf Unterhalt. Natürlich können deine Eltern aber auch weiterhin freiwillig Unterhalt zahlen. Kindergeld steht dir während dieser Zeit auf jeden Fall zu, Wohngeld kann es ebenfalls geben. ALG II wird schwierig, da deine Eltern dir gegenüber als U25 ohne abgeschlossene Ausbildung dem Grunde nach unterhaltspflichtig sind. Einfach mal bei der Arge nachfragen.

Wenn eine eigene Wohnung aufgrund der Entfernung erforderlich ist

Wenn wegen einer Berufsausbildung oder eines Studiums ein Wohnungswechsel notwendig wird, müssen die Eltern Unterkunft und Lebensunterhalt in einer anderen Stadt finanzieren – soweit sie hierzu in der Lage sind. Mehr als 640 Euro müssen sie dafür allerdings in der Regel nicht pro Monat aufbringen.

Wann besteht nun grundsätzlich Barunterhaltsanspruch für eine eigene Wohnung?

  • $Betreuungs- und Barunterhaltsanspruch bis zum 18. Lebensjahr, wobei die Eltern dem Auszug zustimmen müssen
  • $Grundsätzlich während der allgemeinen Schulpflicht und bis zur ersten abgeschlossenen Berufsausbildung
  • $Ab dem 18. Lebensjahr während einer Ausbildung (Schule, duale Ausbildung oder Studium)
  • ?Jedoch maximal bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres
  • $Während einer Übergangszeit von bis zu 3 Monaten
  • $Bei Abbruch einer Ausbildung innerhalb der einjährigen Orientierungsphase nach Beendigung der Schulpflicht (ab Hauptschule)
  • $Ein Studium nach abgeschlossener Erstausbildung, wenn dieses als Weiterbildung einzuordnen ist

Was passiert, wenn die Eltern keinen Unterhalt leisten können?

Du kannst dann BAföG oder BAB beantragen je nach beruflicher Situation bzw. dann steht dir mit großer Wahrscheinlichkeit was zu. Wenn eine eigene Wohnung vorliegt, zahlen die Bafög-Ämter einen höheren Satz. Das gilt auch für minderjährige Studenten. Warum die Kinder bei ihren Eltern ausgezogen sind, interessiert die Bafög-Ämter nicht. Sie fragen auch nicht, ob die Eltern am Studienort leben. Wer staatliche Ausbildungsförderung erhält und auszieht, muss das dem Amt nur mitteilen – und bekommt ab dem Monat des Auszugs mehr Geld vom Staat.

Was gilt bei ALG I / II ?

Arbeitssuchende und Geringverdiener unter 25 Jahren müssen sich für die räumliche Trennung von ihren finanziell bedürftigen Eltern, zunächst eine Erlaubnis vom
zuständigen Amt einholen. Wird keine Zustimmung eingeholt, so werden von den Ämtern auch keine Unterkunftskosten übernommen.

Moralische Werte: Ist dies überhaupt der richtige Weg?

Hierbei spielt auch die Moral eine nicht weniger bedeutsame Wertstellung. Du solltest dir im Klaren darüber sein, ob deine Eltern überhaupt in der Lage sind, dir monatlich Geld zukommen zu lassen, auch wenn dies die Ämter für angemessen
halten. Wenn sie selbst nur ein kleines Einkommen haben, wäre es nahezu dreist, noch Geld zu verlangen, damit sie dir deine Wohnung finanzieren. Nicht Wenige haben ihre Beziehung zu den Eltern stark strapaziert, weil sie auf Grundlage des Rechts darauf bestanden haben, Unterhalt zu bekommen. Sollte die Entfernung allerdings eine vom Elternhaus entfernte, eigene Bleibe voraussetzen, sieht dies schon anders aus.

Auch wenn die Eltern über den Freibeträgen liegen, können sie in der heutigen Zeit oft nicht allzu viel für die eigene Wohnung oder die Ausbildung beisteuern, da die Realität abseits der Freibeträge i.d.R. ganz anders aussieht.

Unterhalt: Bedarf und Berechnung nach Düsseldorfer Tabelle

Die Tabelle ist kein Gesetzt, sondern eher als Richtlinie zu sehen, welche auch bei Gericht herangezogen wird. Auch hier wird zum Großteil nur auf die relevanten Fakten bei einer eigenen Wohnung eingegangen, da es sonst den Rahmen sprengen würde.

Für volljährige Kinder, welche Anspruch auf Barunterhalt haben und eine eigene Wohnung mieten, oder wie du mieten wollen, beträgt der Unterhaltsbedarf 670 Euro monatlich, egal ob Schüler, Student, Azubi. Hierbei sind 280 € für Unterkunft mit Nebenkosten u. Heizkosten (Warmmiete) enthalten.

Wichtig: Das Kindergeld wird bei Minderjährigen hälftig, bei Volljährigen zu 100% angerechnet.

 

Nettoeinkommen des
Unterhaltspflichtigen in €

 

12-17

 

Ab 18

Bedarfskontrollbetrag    in €
Bis  1.900 497 € 530 €  
1.901 – 2.300 522 € 557 € 1.400
2.301 – 2.700 547 € 583 € 1.500
2.701 – 3.100 572 € 610 € 1.600
3.101 – 3.500 597 € 636 € 1.700
3.501 – 3.900 637 € 679 € 1.800
3.901 – 4.300 676 € 721 € 1.900
4.301 – 4.700 716 € 764 € 2.000
4.701 – 5.100 756 € 806 € 2.100
5.101 – 5.500 796 € 848 € 2.200

Diese Tabelle zeigt ja nach Gesamteinkommen (Netto) deiner Eltern (Linke Spalte) und deinem Alter (über oder unter 18 Jahren) deinen Unterhaltsbedarf. Dies nur zum besseren Verständnis, denn wenn du eine eigene Wohnung beziehen möchtest, zählt der Regelsatz von 670 €.

Das Kindergeld ist an Volljährige auszuzahlen und wird in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet. Da kein Betreuungsunterhalt (zu Hause wohnen) mehr geleistet werden kann, ist beim volljährigen Kind die Barunterhaltspflicht auf beide Eltern zu verteilen.

Dein eigenes Einkommen wie Ausbildungsvergütung, sowie Halbwaisenrente oder Stipendien werden vollständig angerechnet und mindern die mögliche Unterhaltssumme. Gelegentliche Erwerbstätigkeiten nebenbei, z.B. bei Studenten, werden nicht einberechnet. Im Gegensatz dazu jedoch 450€ Jobs. Allerdings bleibt hiervon ein Teil für berufsbedingte Aufwendungen anrechnungsfrei, mindestens 60 Euro.

Doch wie wird nun der Unterhalt berechnet?

Nun wird es komplizierter.
Man ermittelt das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils, von dem jeweils der Selbstbehalt in Höhe von EUR 1.200,00 abgezogen wird. Ist der Unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig, beträgt der Selbstbehalt 960€. Von dem Bedarf von 670 € werden zunächst Kindergeld abgezogen, sowie weitere eigene Einkommen des Kindes, je nach dessen Anrechnung. Der daraus resultierende Betrag muss dann von den Eltern anteilig, je nach Einkommen, gezahlt werden. Allerdings nur, wenn nach Abzug des Selbstbehaltes der Eltern noch ein Betrag übrig bleibt, welcher den zuvor errechneten Bedarf des Kindes decken kann. Ist dies nicht der Fall, greift Beispielsweise BAföG oder BAB. Klingt logisch oder?

Beispielberechnung:

(Kind studiert auswärts, kein zusätzliches Einkommen, 670 € Bedarf)

Vater verdient EUR 4.100,00 ; die Mutter EUR 2.100,00

Davon werden EUR 219,00 Kindergeld abgezogen.

Folglich müssen die Eltern anteilig EUR 451,00 aufbringen.

Vater hat Einkommen von EUR 2.900,00 (4.100,00 abzüglich 1.160,00 Selbstbehalt)
Mutter hat Einkommen von EUR 900,00 (2.100,00 abzüglich 1.160,00 Selbstbehalt)

Vater zahlt damit 451 x 2940 : 3800 = EUR 348,93
Mutter zahlt damit 451 x 940 : 3800  = EUR 111,56

Ganz nebenbei:  Es gibt hier kein BAföG, da Einkommensgrenzen der Eltern bereits überschritten wurden.

Das wichtigste zum Unterhalt zusammengefasst:

Generell kann dein Unterhalt nur über ein Gericht festgelegt werden, wenn dir deine Eltern freiwillig kein Geld zukommen lassen. An dieser Stelle vorausgesetzt, sie seien zu diesem Zeitpunkt tatsächlich in der Unterhaltspflicht. Unterhaltspflichtig sind sie nach dem Gesetz bis zum Abschluss eines ersten qualifizierten Berufsabschlusses (z.B. Berufsausbildung oder Hochschulstudium) und solange du noch unter 25 bist. Dadurch wird der Unterhalt bei fast allen staatlichen Leistungen vorgezogen (außer Wohngeld), unabhängig davon, ob deine Eltern den errechneten Unterhalt tatsächlich zahlen (wollen oder können).

Wie viel Unterhalt dir tatsächlich zusteht, erfährst du durch die Bedürftigkeitsprüfung für BAföG oder BAB. Steht dir dem Grunde nach nichts zu, bist du hauptsächlich auf dein eigenes Einkommen, Kindergeld sowie Unterhalt angewiesen, wobei Letzteres in Hinsicht auf die eigene Wohnung sehr oft zu Konflikten innerhalb der Familie führt, vor allem dann, wenn der Auszug nicht zwingend notwendig ist. Sicherlich ist es jedoch möglich, eine eigene Wohnung mittels Kindergeld und Unterhalt (670 € –219 € = Unterhalt) zu finanzieren. Zumindest da deine Eltern dem Gesetz nach barunterhaltspflichtig wären, solange du das 18. Lebensjahr erreicht hast und noch keine abgeschlossene Ausbildung besitzt.

Allerdings ist diese Vorgehensweise moralisch sehr bedenklich. Daher empfiehlt es sich, dieses Thema erst gar nicht anzusprechen, sondern in einem günstigen Augenblick nach einem kleinen monatlichen Taschengeld zu fragen. Sicherlich werden dir deine Eltern oder Verwandten hin und wieder mal ein kleines Sümmchen zustecken oder zum Einzug einen Umschlag mit Geld überreichen. Sollte deine Ausbildung oder leibliches Wohl zu Hause gefährdet sein, dir deine Eltern jegliche Unterhaltszahlungen trotz gutem Einkommen verweigern (und damit jegliche Bezüge wegfallen), solltest du tatsächlich den Unterhalt einklagen.