Ausziehen mit 16 oder 17 – Gibt es einen Unterschied?

Ausziehen mit 16 oder 17 – Gibt es einen Unterschied?

Ausziehen mit 16 oder 17 – Gibt es einen Unterschied?

  • 4 Minuten Lesedauer
Autor: Christoph Wiemer
Position: Inhaber

Das Ausziehen mit 16 oder 17 Jahren ist für viele Heranwachsende inzwischen nicht nur ein Wunsch, sondern immer häufiger eine Notwendigkeit. Ursache können familiäre oder auch berufliche Gründe sein. Wann ist dein Auszug in diesem Alter möglich? Welche rechtlichen Vorgaben gibt es? Wo erhältst du Unterstützung?

Mögliche Gründe für ein Ausziehen mit 16 oder 17

Manchmal ist es notwendig, dass du dein Elternhaus verlässt, bevor du volljährig bist. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn es die familiäre Situation erfordert oder sie einen Ausbildungsplatz erhalten, der weit vom Elternhaus entfernt ist.

Familiäre Situation

Als familiäre Gründe gelten meist Probleme bis hin zur häuslichen Gewalt. So wird das Jugendamt eingreifen, wenn du in einem unzumutbaren Umfeld lebst, deine Eltern dich vernachlässigen oder du physische und/oder psychische Gewalt durch deine Eltern erfährst. In diesem Fall hat das Jugendamt die Möglichkeit, deinen Eltern über das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen und für deine Unterbringung zu sorgen, auf deinen Wunsch hin, und wenn dies möglich ist, auch in einer eigenen Wohnung.

Berufliche Gründe für einen Auszug

Wenn du nach dem Realschulabschluss eine betriebliche Ausbildung beginnst, bekommst du somit auch eine Ausbildungsvergütung. Abhängig von der Höhe dieser Vergütung kannst du dir eventuell eine eigene Wohnung leisten. Dann ist ein Ausziehen mit 16 oder 17 durchaus möglich. Wenn du mit dem Gedanken spielst, auszuziehen, solltest du dir auf jeden Fall überlegen, wie du die Finanzierung der Wohnung und deines Lebensunterhaltes gestaltest. Prinzipiell sind deine Eltern zum Unterhalt verspflichtet, aber nur, wenn ihre Einkommen dies zulassen.

 

Rechtsgrundlagen – Was beim Ausziehen mit 16 oder 17 gilt

Prinzipiell ist das Ausziehen mit 16 oder 17 Jahren möglich. Deine Eltern müssen dem Auszug aber auf jeden Fall zustimmen. Nur wenn sie ihr Einverständnis geben, kannst du eine eigene Wohnung oder WG beziehen. 

Stichwort Aufenthaltsbestimmungsrecht

Sie haben nämlich bis zu deiner Volljährigkeit nicht nur die volle Verantwortung für dich, sondern auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Dieses ist in § 1631 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt. Sie können hinsichtlich kurzer oder langer Aufenthalte bestimmen:

  • $wo du übernachtest (z. B. bei Freunden)
  • $ob und wohin du alleine in den Urlaub fährst
  • $wo du dauerhaft wohnst

Das heißt, sie entscheiden ohne Rücksicht auf deinen Willen, wo du wohnst bzw. deinen Lebensmittelpunkt hast. Vor allem die ihnen auferlegte Verantwortung für dein Wohlergehen ist der Grund, dass deine Eltern dich nicht ohne triftigen Grund ausziehen lassen. Um ein Ausziehen mit 16 oder 17 Jahren doch durchzusetzen, kannst du dich an das Jugendamt wenden, das dann vor dem Familiengericht einen Beschluss erwirken kann.

Problem: deine Geschäftsfähigkeit mit 16 oder 17

Ein Problem beim Auszug aus der elterlichen Gemeinschaft mit 16 oder 17 besteht darin, dass du in diesem Alter nur über eine beschränkte Geschäftsfähigkeit verfügst. Das hat zur Folge, dass deine Eltern bis zu deinem 18. Lebensjahr alle Verträge für dich mitunterschreiben müssen. Dies gilt natürlich auch für einen etwaigen Mietvertrag. Diese beschränkte Geschäftsfähigkeit wird dir nicht nur beim Mietvertrag als Hürde begegnen. Bis zu deiner Volljährigkeit werden deine Eltern auch beim Handyvertrag, dem Kauf teurer Möbel oder beim Abschluss eines Vertrags mit einem Energieversorger für deine erste Wohnung ihre Unterschrift leisten müssen.

 

So unterstützt dich der Staat beim Auszug mit 16 oder 17

Zunächst einmal sind deine Eltern verpflichtet, für deine finanzielle Absicherung zu sorgen und müssen dich entsprechend unterstützen. Das bedeutet für dich, dass bei allen staatlichen Leistungen (außer Wohngeld) zuerst geschaut wird, ob ihre Einkommen die gesetzlichen Freibeträge überschreiten. Das heißt, du erhältst erst staatliche Unterstützung erst, wenn deine Eltern nicht genug verdienen. Als staatliche Leistungen kommen in Betracht:

  • $Kindergeld (per Weiterleitungsantrag)
  • $Schüler-BAföG (bei schulischer Ausbildung, weit entferntem Elternhaus und geringem Eltern-Einkommen)
  • $Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)
  • $Wohngeld (nur bei zweiter Ausbildung oder staatlich nicht anerkannter Ausbildung)

Ein Anrecht auf Wohngeld hast du in der Regel nicht, weil du ja dem Grunde nach Anspruch auf BAB hast. Nur bei Vorlage einer Ablehnung aus den oben genannten Gründen könntest du doch Wohngeld erhalten.

Fazit: Unter 18 Jahren ausziehen kann sinnvoll sein

Ausziehen mit 16 oder 17 Jahren ist zwar möglich, es gibt allerdings hohe Hürden. Neben familiären Gründen, bei dem du das Jugendamt um Hilfe bittest, kann ein Ausbildungsplatz mit guter Ausbildungsvergütung die Startlinie für die erste Wohnung sein. Wenn deine Eltern dir noch das Kindergeld zukommen lassen, könnte es für den Auszug reichen. Auch eine gute Mischung aus Kindergeld, Nebenjob, Wohngeld und ggf. Unterhalt wäre eine weitere, realisierbare Lösung.